Phänomen Geschwister

Das sind Emma und Ben. Sie sind, wie wahrscheinlich schon durch den Titel erkennbar, Geschwister. Aktuell verstehen sie sich sehr vorbildlich gut und achten aufeinander. Ein großer Traum für wahrscheinlich alle Eltern. Aber das ist natürlich kein Dauerzustand. So wie bei vermutlich allen Geschwistern. Auch Ben und Emma haben Streit. Doch darum geht es in einem anderen Blog-Beitrag. Hier möchten wir uns nun die Geschwister-Bindung genauer anschauen und herausfinden, ob der Altersabstand Einfluss darauf hat und welche Rolle die Eltern beim Bindungsaufbau und -erhalt spielen.

Erstgeborene, Sandwichkinder oder Nästhäkchen

Diese drei Bezeichnungen kennen wir wahrscheinlich alle. Zudem werden diesen drei Geschwistern auch Charakterzüge zugeschrieben. Oftmals wird die Erstgeborene mit Verantwortungsbewusstsein in Verbindung gebracht, während das Nesthäkchen verwöhnt wird und das arme Sandwichkind immer zu kurz kommt. Ausnahmen bestätigen dabei, wie immer, die Regel.

Geschwister-Bindung

Oder wie sie auch manchmal genannt wird: Geschwisterliebe. Diese beiden Wörter bedeuten nicht, dass die perfekten Geschwister immer einer Meinung sind und sich nie streiten oder als Rivalen sehen. Sogar eher im Gegenteil. Die Geschwisterliebe oder Geschwister-Bindung beinhaltet sowohl positive, als auch negative gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen. Denn auch Konflikte sind potentiellen Bindungs- Erfahrungen, die ein Mensch innerhalb einer Beziehung machen sollte. Geschwisterkinder müssen miteinander auskommen. Es würde keiner von ihnen gefragt ob sie Geschwister sein möchten. Sie wurden einfach in die Familie hinein geboren. Das klingt zunächst erstmal sehr hart. Genau genommen ist es jedoch genau so. Sie sind dazu im gewissen Maße gezwungen miteinander auszukommen und das auch noch Tag täglich. Dadurch sind Konflikte vorprogrammiert, durch die Situationen entstehen, in denen Kinder einen erstaunlichen Zuwachs an sozialen Kompetenzen haben. Durch die Geschwister-Bindung wird der Grundstein für kommende Beziehungen und auch Freundschaften gelegt. Ein Kind, dass eine stabile Bindung zu seinen Geschwistern pflegt, erlernt das Beziehungsleben von klein auf. Welche Rolle die Eltern beim Bindungsaufbau und -erhalt spielen, schauen wir uns am Ende dieses Beitrages genauer an.

Beeinflussbarer Faktor: Altersabstand

Wie wahrscheinlich bereits vermutet gibt es keinen perfekten Zeitpunkt was die Familienplanung betrifft. Das muss jeder für sich selbst, beziehungsweise die Elternteile miteinander entscheiden. Das bedeutet, dass der Altersabstand zwischen den Kindern keinerlei Vorschrift hat. Deshalb schauen wir uns nun einfach ganz neutral an, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Altersabstände mit sich bringen können. Starten wir mit einem Altersabstand von 21 Monaten und darunter, wobei ich ergänzend hinzufügen möchte, dass es sinnvoll ist dem Körper zwischen den Schwangerschaften 12 Monate Pause zu gönnen, damit er seine Reserven auffüllen und sich dann auf den neuen Bauchbewohner fokussieren kann. Bei diesem geringen Altersabstand ist der größte Vorteil, dass die Kinder einen Spielpartner haben, der den Entwicklungsstand fast schon teilt. Nachteil ist jedoch, dass eine große Eifersucht in jungen Jahren entstehen kann, da selbst das ältere Geschwisterkind noch nicht die sozialen Kompetenzen erworben haben kann, dass es den Vorgang verstehen könnte. Zudem hat man nun zwei Kinder, die gewickelt werden müssen und noch unselbstständig sind. Sind die Geschwisterkinder zwischen 21 und 36 Monate auseinander wird das Verständnis des älteren Kindes für den Neuankömmling etwas größer. Allerdings existiert auch hier noch Konkurrenzverhalten. Vorteil ist, dass beide sich noch als potentielle Spielpartner sehen. Sind die Geschwisterkinder drei bis vier Jahre auseinander, minimiert sich das Konkurrenzverhalten und es gibt ein Kind, das schon selbstständig sein kann und unterstützend mitwirkt. Nachteil ist jedoch, dass dieser Altersabstand das gemeinsame Spielen schwieriger gestaltet. Das jüngere Kind hat schließlich etwas andere Entwicklungsschritte, als das ältere Kind. Der Erstgeborene kann hier eher die Rolle des Großen einnehmen und nur selten auf Augenhöhe agieren. Sind die Geschwisterkinder vier Jahre oder noch länger auseinander so befinden sich die Vorteile intensiv in den Bereichen Selbstständigkeit des älteren Kindes, eine langjährige zunächst erst alleinige Bindung zu den Eltern und der niedrige Konkurrenzkampf untereinander. Nachteile sind, dass die Kinder von heute auf morgen plötzlich ihre Bindung teilen müssen und dies kann dann zur Eifersucht führen. Allerdings ist das ältere Geschwisterkind auch schon in der Lage, zumindest in den meisten Fällen, Verständnis für das Neugeborene aufzubringen, wenn man als Eltern dies erklärt und vorlebt. Zudem ist es so, dass die Kinder meist keine gemeinsamen Interessen haben und dadurch die Freizeitgestaltung stressiger wird. In allen Fällen möchte ich hinzufügen, dass die Bindung jeweils aufgebaut und erhalten werden kann. Der Altersabstand nimmt nur auf die Art und Weise dieser Geschwisterliebe einen Einfluss.

Beeinflussbarer Faktor: Eltern

Die Bindung der Geschwisterkinder wird, wie oben erwähnt, durch die Eltern entscheidend geprägt. Sie beginnt mit der Geburt des neuen Familienmitgliedes, da sich die meisten Eltern sehr darum bemühen beiden Kindern möglichst gerecht zu werden. Und das ist auch gut so. Erst ab ungefähr dem zweiten Lebensjahr entwickelt das jüngste Geschwisterkind das Bedürfnis zu seinen älteren Geschwisterkindern eigenständig eine Bindung aufzubauen und kurz darauf auch diese zu stärken. Auch bei Zwillingen ist ungefähr das zweite Lebensjahr der Zeitpunkt, an dem aus eigenem Antrieb das Interesse aneinander steigt. Vorher gilt es als Elternteil den Weg bis dort hin und natürlich auch darüber hinaus, zu ebnen. Ziel ist also ein Fundament, auf das die Kinder ihre Geschwister-Bindung aufbauen können. Durch das regelmäßige Miteinander im Alltag kann eine Bindung aufgebaut werden. Ob beim gemeinsamen Essen oder Spielen. Wichtig ist auch, dass kein Kind bevorzugt oder die Rangordnung ausgenutzt wird. Das heißt, dass das ältere Kind nicht auf seine jüngeren Geschwister aufpassen sollte. Dies ist der Aufgabenbereich der Eltern und keine Chance um Verantwortung zu erlernen. Wird diese Hierarchie durch das gegenseitige aufeinander Aufpassen künstlich hergestellten, so kann es passieren, dass die Bindung schaden nimmt. Wer möchte denn schon gerne mit seinem Chef täglich unter einem Dach wohnen?

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